Rede der VVN-BdA Essen am Tag gegen Rassismus in Essen-Steele
24. März 2019
Liebe Steeler Mitbürger und Mitbürgerinnen,
Liebe Demonstrationsteilnehmende,
Liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen,
ach Hallo Menschen,
Ich als Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen freue mich heute am Tag gegen Rassismus hier reden zu dürfen. Der Tag gegen Rassismus sollte eigentlich ein Tag sein, der jeden Tag in Deutschland aber auch auf der ganzen Welt stattfinden sollte. Rassismus ist Scheiße und das braucht kein Mensch. Leider gibt es Rassismus jeden Tag und somit könnten wir jeden Tag daran arbeiten, Rassismus abzuschaffen.
(Rede als Pdf Datei: Rede 21.3.19 Tag gegen Rassismus Steele)
Was Rassismus ist, wissen fast alle Menschen eigentlich ganz genau. Trotzdem möchte ich noch einmal ein paar Worte dazu erläutern. Rassismus ist nur eine Form von Diskriminierung, bei der Menschen wegen ihrer Herkunft nicht als gleichwertiges und gleichberechtigtes Gesellschaftsmitglied gesehen werden. Rassismus bedeutet auch, dass diesen Menschen negative bewertende Eigenschaften zugeschrieben werden.
Teile der Wissenschaft sehen Rassismus aber auch darin, wenn Menschen wegen einer sexuellen Orientierung (Homophobie), wegen einer bestimmten Geschlechterrolle (Sexismus), wegen einer Behinderung (Ablism) und ähnlichem ausgegrenzt werden.
Auch ich persönlich als weißer, heterosexueller, nicht behinderter Mann, mit deutschem Pass kann mich von diesen Gedanken der Ausgrenzung nicht immer ganz frei sprechen und muss täglich an meinem Verhalten und meinen Gedanken arbeiten.
Doch was können wir alle gegen diese Gedanken und diesen Rassismus machen?
Wir können Betroffenen zuhören und auf ihre Bitten eingehen, damit wir gleichberechtigt werden.
Wir können Betroffene in Ihrem Kampf gegen Rassismus unterstützen wobei wir auch hier auf sie hören sollten.
Wir können unsere Privilegien nutzen, an den Stellen, bei denen wir als Mitglieder der Gesellschaft gehört werden. Wir können den Betroffenen von Rassismus als Sprachrohr dienen, um Ihnen damit eine Stimme zu geben.
Wir können gemeinsam aktiv Widerstand leisten gegen Menschen, die z.B. hier in Steele donnerstags auf die Straße gehen und eine Welt aufbauen wollen, in der weiße, vermutlich deutsche und heterosexuelle Männer für Sicherheit sorgen wollen. Sie wollen ebenso Menschen, die nicht in Ihr rassistisches Weltbild passen, Angst machen.
Schon die Geschichte in Europa zeigt, dass es den Widerstand gegen Rassismus braucht und dass es diesen Widerstand immer gegeben hat und weiterhin geben wird. Auch in Steele und Umgebung leben sogenannte „Kinder des Widerstands“. Ihre Eltern haben schon gegen Rassismus in der NS-Zeit gekämpft und wir sollten uns vielleicht an einigen Aktionen dieser Eltern ein Beispiel nehmen. Das heißt, dass wir Widerstand leisten müssen, sobald in unserer Bevölkerung rassistisches Gedankengut zu keimen beginnt.
Gerade hier in Steele zeigt sich, wenn wir in die Geschichte von Steele zurückblicken, dass stets ein Widerstand nötig war und bleibt.
Vor der Zeit des Nationalsozialismus lebten viele jüdische Familien in Steele. Überall im Zentrum von Steele erinnern Stolpersteine an diese jüdischen Menschen. Wir hatten in Steele eine Synagoge, wo heute nur noch das durch Steine markierte Fundament und eine kleine Tafel dran erinnert. Die Stolpersteine erinnern uns aber nicht nur daran, dass diese Menschen hier gelebt haben. Die Steine weisen uns auch darauf hin, dass Rassismus diese Menschen ermordet hat.
Aber nicht nur die Geschichte von vor ca. 80 Jahren zeigt rassistische Bewegungen in Steele und Umgebung. Auch aktuellere Geschichte kann Mensch aufzeigen, wie wichtig der Widerstand gegen Rassismus ist. Vor ca. 20 Jahren griffen beispielsweise Neonazis die Steeler Jugendhäuser Hü-weg und Julius- Leber- Haus an, um Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, zu unterdrücken. Vor ca. 15 Jahren beschmierten Neonazis in Steele und dem Nachbarstadtteil Freisenbruch Stromkästen oder ähnliches mit rassistischen und nationalsozialistischen Parolen. Auch vor Kindergärten machten sie nicht halt und schmierten eine Drohung der Gewalt gegen die Leiterin des Kindergartens inklusive Hakenkreuze an den Eingang des Kindergartens. In Kray gab es vor Jahren einen Farbanschlag auf das Kinder- und Jugendhaus der Falken. Dieses alles sind aber nur Taten, die durch die Presse kurzzeitig in der Öffentlichkeit auftauchten, wenn überhaupt.
Angriffe auf Menschen, die von Rassismus betroffen sind, gibt es aber immer wieder, ohne das ich oder sie etwas davon erfahren. Die Menschen haben Angst dieses öffentlich zu machen, weil der Rassismus in unserer Gesellschaft immer stärker wird. Vor ein paar Wochen habe ich noch von Freund*innen gehört, wie Menschen, die nicht weiß sind, aus Steele wegziehen wollen, weil sie immer wieder von rassistisch denkenden Menschen angegriffen werden.
Wie wir aber alle wissen, ist dies nicht alles. Die NPD hat sich vor einigen Jahren sehr klar den Nachbarstadtteil Kray ausgesucht, um dort Ihre Landeszentrale zu errichten. Geschützt durch ein Wohnhaus, in dem teilweise Menschen drin wohnen bzw. wohnten, die nichts mit dieser nationalistischen Partei zu tun haben wollten. Die NPD planen dort in Kray Demonstrationen oder Aktionen, die milde ausgedrückt, sich klar gegen die Menschenrechte richten.
Aber auch das hier in Steele seit sehr langer Zeit jeden Donnerstag die sogenannten „Steeler Jungs“ aufmarschieren ohne das die Anwohner*innen durch unser Gewaltmonopol sehr klar geschützt werden, lässt mich fragen, wer wird denn hier in Steele geschützt? Die sogenannten „Steeler Jungs“ oder wir als Anwohner*innen und Gegendemonstrant*innen. Der regelmäßige Aufmarsch der sogenannten „Steeler Jungs“ zeigt, wie leicht es in Steele und Umgebung ist, Rassismus auf die Straße zu tragen. So marschieren jeden Donnerstag diese sogenannten „Steeler Jungs“ –- meistens wie früher die SA –- dunkel gekleidete, weißen Männer durch Steele und sie überrennen oder treten die Stolpersteine vermutlich sogar mit Füßen, was ein sehr bedrückendes Gefühl für viele Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ist und vermutlich auch bei vielen andere Menschen eine große Betroffenheit auslöst. Leider sehen viele Menschen hier in Steele noch immer nicht, welche rassistische Welle gerade immer mehr auf uns zukommt.
Schon Esther Bejarano, Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau sagte anlässlich der Demonstration „wir sind mehr“ in Frankfurt dies: „Wehret den Anfängen‘ ist längst überholt! Wir sind mittendrin.“ In Deutschland so auch an manchen Tagen in Steele herrscht schon längst wieder ein tödlichen Klima von Rassismus und Neonazismus. Viele unserer Vorfahren sagten und sagen: „Das haben wir nicht gewusst“. Wir, die wir aus der Geschichte gelernt haben, haben nun die Chance die Augen auf zu machen, Rassismus zu sehen und gegen diesen vorzugehen.
Lasst den Worten: Nie wieder Faschismus!, Nie wieder Krieg“ Taten folgen und kritisiert euch selber aber auch andere im Bezug auf Diskriminierung. Stellt euch aktiv gegen rassistisches und diskriminierendes Verhalten und lasst euch nicht von Gewaltbereiten Männern unterdrücken, sondern macht den Mund auf und äußert etwas dagegen. Nicht nur heute sondern jeden Tag.