Internationaler Tag gegen Rassismus
21. März 2021
Unser Redebeitrag bei der Kundgebung von Aufstehen gegen Rassismus Essen zum Internationalen Tag gegen Rassismus in Essen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Freundinnen und Freunde,
ich spreche hier für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, kurz VVN-BdA. Ich spreche auch als Angehörige einer Familie, die das schlimmste Ausmaß rassistischer Verbrechen erlitten hat, deren Angehörige in Auschwitz ermordet wurden. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden industriemäßig vernichtet, wie Ungeziefer ausgerottet,
500 000 Menschen von deutschen Faschisten getötet, nur weil sie der Volksgruppe der Sinti und Roma angehörten.
Meine Eltern waren mit mir aus der Emigration 1946 nach Deutschland zurückgekehrt. Sie haben mit überlebenden Verfolgten des Naziregimes die VVN gegründet. Und sie waren voller Hoffnung, dass nach diesen unglaublichen Verbrechen in diesem Land Rassismus und Faschismus für immer verbannt wird, dass jeder Ansatz von Rassismus im Keim erstickt wird.
Wie ist es möglich, dass in einem Land mit einer so bitteren Geschichte wieder rassistische Verbrechen verübt werden können, wie es gegenüber Zuwanderinnen und Zuwandern in Hoyerswerder, Rostock, Mölln und Solingen geschehen ist, die rassistischen Morde durch die NSU, die Anschläge auf Asylunterkünfte. Einen Aufschrei hätte es geben müssen. Stattdessen ist es der offen rassistischen und nationalistischen Partei AfD gelungen, in allen Landes- und Bundestagsparlamenten einzuziehen. Alice Weigel kann von der Bundestagstribüne aus Hetze und Rassenhass befeuern, von Burkas, Kopftuchmädchen. alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichts sprechen oder Alexander Gauland vom Vogelschiss der Geschichte.
Struktureller Rassismus drückt sich auch aus, wenn ein Bundesinnenminister erklärt, die Migration sei die „Mutter aller Probleme“. Wir sprechen über andauerndes Racial Profiling durch die Polizei. Wir sprechen über unglaublich rassistischen und menschenverachtenden Chats, die sich Chatgruppen innerhalb der Essener/Mülheimer Polizei austauschen. Wir sprechen über anlasslose Razzien bei migrantischen Betreibern von Shishabars und Barber-Shops. gern begleitet von den Medien. So werden migrantische Gruppen unter Generalverdacht gestellt. So entsteht ein Klima, das im schlimmsten Fall Anschläge und Morde wie in Hanau und in Halle mit verantwortet.
Sogar Innenminister Seehofer kommt gegenwärtig nicht umhin, von der größten Gefahr durch die extrem Rechten zu sprechen. Doch ausgerechnet diejenigen, die dieser Gefahr begegnen, die aufklären, die sich den Rassisten entgegenstellen, werden diskriminiert und kriminalisiert. Das erleben wir in Steele bei Protesten gegen die rechte Szene. In Niedersachsen prüft Innenminister Pistorius ein Verbot der Antifa, um nur einige Beispiele zu nennen.
Unserer Vereinigung, der VVN-BdA, die älteste Organisation der Bundesrepublik in der Tradition des Antifaschismus, wurde die Gemeinnützigkeit entzogen. Esther Bejarano, Auschwitzüberlebende und Ehrenmitglied der VVN-BdA, schreibt: „Das Haus brennt, und sie sperren die Feuerwehr aus … Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte!“ schreibt sie und „Kann es denn eine gemeinnützigere Aufgabe geben, als sich gegen den Faschismus zu stellen?“
Und trotz alledem, es macht uns viel Mut, dass es eine starke Bewegung gegen Rassismus international und auch in unserer Stadt gibt, getragen besonders von vielen jungen Menschen. Dafür steht auch die heutige Kundgebung. Danke an Aufstehen gegen Rassismus.
Ich möchte noch auf eine weitere Aktion aufmerksam machen. Gemeinsam mit mehreren Organisationen wollen wir den 8. Mai, den Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg, feierlich begehen. Es ist wieder Esther Bejarano, die fordert, der 8. Mai, soll gesetzlicher Feiertag werden. „Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“