Rede zum Antikriegstag am 01.09.2025

9. Oktober 2025

Am 01.09.2025 hielt unsere Kameradin Margret Rest im Rahmen einer Veranstaltung des DGB in Essen anlässlich des Antikriegstages eine Rede, die wir an dieser Stelle dokumentieren:

„Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(…)


Am 1. September 1939 wurde mein Vater, Willi Rattai, direkt morgens an
seinem Arbeitsplatz verhaftet. Man brachte ihn in das Gestapogefängnis in der
Kortumstraße. Dort traf er viele weitere Essener Widerstandskämpfer, so auch
Karl Käseberg und Ludger Zollikofer, die beide dann später im KZ
Sachsenhausen ermordet wurden. Sie alle warnten bereits seit langem vor
dem an diesem Tag begonnenen und lange vorbereiteten Krieg. Viele der
erneut Verhafteten hatten bereits einige Jahre Konzentrationslager hinter sich.
Sie hatten schon vor 1933 gemahnt: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer
Hitler wählt, wählt den Krieg.


Auch hier in Essen konnte man diese Entwicklung bemerken, denn wir
befanden uns hier in der „Waffenschmiede des Reiches“, wie man stolz
vermerkte. Bereits vor der Machtübertragung an die Nazis wurde entgegen des
Versailler Vertrages die Rüstungsproduktion in den Krupp-Werken
vorangetrieben. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach bestätigte 1944 die
heimliche „Wehrhaftmachung“ unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Was aus dieser „Wehrhaftmachung“ geworden ist, wissen wir alle, Deutschland hat
in ganz Europa verbrannte Erde und mehr als 55 Millionen Tote hinterlassen. Die politischen, gewerkschaftlichen oder christlichen Widerstandskämpfer haben
dies früh erkannt und haben versucht, diese unheilvolle Entwicklung zu
verhindern. Die Bevölkerung hat leider nicht auf sie gehört. Viele der
Widerständler haben ihre illegale Arbeit mit dem Leben bezahlen müssen. Die
Überlebenden der Konzentrationslager, die aus dem Exil und dem
Strafbataillon 999 zurückgekehrten, die Gründer der VVN, sie haben sich dann
leidenschaftlich für ein demokratisches, ein antifaschistisches, ein
antimilitaristisches und friedliches Deutschland eingesetzt: „Nie wieder
Faschismus, nie wieder Krieg“.


Heute müssen ihre Kinder und Enkelkinder voller Entsetzten eine
Geschichtsvergessenheit erleben. Sie hatten erwartet, das es einen Aufschrei
geben würde, als Boris Pistorius forderte, Deutschland müsse
„kriegstüchtig“ werden. In geschichtlicher Verantwortungslosigkeit haben
unsere gewählten Vertreter eine unvorstellbare Summe für die Hochrüstung
freigegeben. In einer Kriegsrhetorik, in einer Kriegsbesoffenheit, die wir, die
Nachkriegsgeneration, noch nie in diesem Maße erlebt haben, überbieten sich
fast alle Medien, die umfassende Militarisierung unseres Landes schönzureden
und voranzutreiben. Es ist eindeutig: Wir werden auf einen Krieg eingestimmt.
In allen gesellschaftlichen Bereichen werden zivil militärische Maßnahmen
geplant. Laut NRZ vom 18. Juli diesen Jahres will das Land z.B. eine
Vereinbarung mit der Bundeswehr abschließen. Damit soll sichergestellt
werden, dass Militärkonvois im Kriegsfall hindernisarm durch NRW fahren
können. Die junge Generation soll wieder wehrpflichtig werden, also wehrhaft.
Hatten wir dies nicht schon einmal? Auf deutschem Boden soll die nächste
Generation von US-Mittelstreckenraketen aufgestellt werden. Und in der
Messe Essen findet die Vorbereitung mit hochrangigen Militärs und der
Rüstungsindustrie statt.
Wenn davon gesprochen wird, dass Deutschland in der Welt mehr
Verantwortung übernehmen soll, heißt es für mich mit Blick auf unsere
unsägliche Geschichte, sämtliche diplomatische Wege zu nutzen, um das Töten
und Sterben zu beenden.


Man kann die vielen Kriegsschauplätze gar nicht mehr zählen. Überall sterben
unschuldige Männer, Frauen und Kinder. „Deutschland soll mehr Verantwortung
übernehmen“, heißt für mich auch: Sofort die Waffenlieferungen und
Rüstungsgüter in die Ukraine zu stoppen und auch jeglichen Waffenexport
nach Israel einzustellen – und nicht nur Waffen, die im Gaza-Krieg verwendet
werden könnten. Außerdem müssen wir endlich aufhören, weiterhin Waffen
in die ganze Welt zu exportieren. Sie tragen nur zur Eskalation der Kriege bei
und sind mitverantwortlich für die Flucht von Millionen Menschen. Und statt
Fluchtursachen zu bekämpfen, wird das Asylgesetz bis zur Unkenntlichkeit
ausgehebelt.

Was sich aus der sogenannten Zeitenwende und eines kriegstüchtigen Deutschlands ergibt, erklärte uns dieser Tage Friedrich Merz: „Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ Und Marc Rutte, NATO-Generalsekretär, forderte die EU-Staaten auf, „weniger in soziale Systeme, aber mehr für die Verteidigung zu
investieren. Alle EU-Bürger müssen Opfer bringen.“
Ja es stimmt, wir brauchen ein Sondervermögen. Und zwar für Kitas, Schulen,
Krankenhäuser, Busse und Bahnen und vieles mehr.
Dafür müssen wir uns mit allen Kräften einsetzen, dem gigantischen
Aufrüstungsprogramm energisch den Kampf ansagen. Verhindern wir die
Vorbereitung eines neuen Krieges, denn diesen wird dann keiner überleben.“