Gedenken an die Opfer der Pogromnacht am 08. November in Essen-Steele

10. November 2025

Organisiert vom Bündnis „Mut machen – Steele bleibt bunt“, dem „Runden Tisch Steele“ und der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ fand am 08. November eine Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht im Jahr 1938 statt.

Leider ist es heute wichtiger denn je, an die Greueltaten der Faschisten an Juden, Gewerkschaftern, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Sinti und Roma, Homosexuelle und sogenannten Asozialen zu erinnern. Wie jedes Jahr haben wir in Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ihre Stolpersteine geputzt, die zur Erinnerung an Steeler Bürger verlegt worden sind. Im Stadtteil Steele wohnten vor 1933 viele jüdische Menschen, hatten Geschäfte, gehörten Vereinen an, waren geachtete Bürgerinnen und Bürger, waren in die Gesellschaft integriert. Nach 1933 begann die Vernichtung ihrer Existenz, Ausgrenzung, Entwürdigung und Demütigung. Viele der jüdischen Menschen aus Steele, die nicht mehr fliehen konnten, wurden deportiert und ermordet. Heute sind es die Mitbürger, die ursprünglich aus Not zu uns kamen, die nicht mehr gern gesehen sind. Wiederholt sich die Geschichte? Wir alle sind gefordert, dies zu verhindern!

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von VVN/BdA-Kameradin Alice:

„Wir stehen am Isinger Tor, an dem Ort, an dem in der Nacht vom 9. auf den 10. November vor 87 Jahren die Steeler Synagoge und mit ihr die kleine jüdische Volksschule von den Faschisten niedergebrannt wurde. Die Grundrisse der Steeler Synagoge sind mit Pflastersteinen markiert.

Wir sind heute wie in den vielen vergangenen Jahren zusammengekommen, um der deportierten, ermordeten und vertriebenen jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Steele zu gedenken. Dass wir dabei einige Auszüge aus ihrem Schicksal erfahren können, haben wir den umfangreichen Forschungen von Ingrid Niemann und Ludger Hülskemper-Niemann zu verdanken. Leider konnten sie heute nicht dabei sein.

Wir, die wir auf unsere unfassbare deutsche Geschichte zurückblicken, auf das unfassbare Verbrechen der Menschheitsgeschichte durch den deutschen Faschismus, wir müssen ganz besonders alarmiert sein, wenn Antisemitismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit und der Zulauf zur AfD bedrohlich zunehmen. Als ob es diese Geschichte nicht gegeben hätte, werden wir mit unsäglichen Aussagen zur Migration konfrontiert durch einflussreichen Personen des öffentlichen Lebens. Damals waren die Juden schuld an allem Übel, heute die Migranten?

Umso wichtiger ist es heute, an die Pogromnacht 1938 und an das, was vorausgegangen war und dann folgte, zu erinnern.

„Ihr seid nicht schuldig für das, was damals geschehen ist“, sagte die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, „aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts von dieser Geschichte wissen wollt.“  Viele erinnern sich noch an ihr eindrucksvolles Konzert in der Friedenskirche vor fünf Jahren.


Ermutigend sind die jahrelangen unzähligen und vielfältigen Initiativen von „Mut machen – Steele bleibt bunt“, dem „Runden Tisch Steele“, die unterstützt wurden von zahlreichen Bürgerinnen und Bürger aus Steele, die gegen die rechten Aufmärsche in Steele auf die Straße gegangen sind. Wir protestieren gemeinsam mit „Essen stellt sich quer“ und den Bürgerinnen und Bürgern aus Kray ebenso entschieden und unermüdlich gegen die neonazistischen Umtriebe in Kray.“

Zudem dokumentieren wir die Rede von „Mut machen – Steele bleibt bunt“:

Liebe Freundinnen und Freunde,

in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Auch hier in Essen-Steele wurden jüdische Nachbarinnen und Nachbarn gedemütigt, ihre Geschäfte zerstört, ihr Glaube und ihr Leben angegriffen.

Die Pogromnacht war kein Ausbruch von Wut – sie war ein staatlich gelenkter Angriff auf die Menschlichkeit. Und sie war der Beginn des Weges in die Vernichtung. Die Erinnerung daran dient dem Bewusstsein dafür, wohin Ausgrenzung, Rassismus und Machtmissbrauch führen können. Die NS-Vergangenheit erinnert daran, dass Freiheit und Menschenwürde nicht selbstverständlich sind.

Wir leben in einer Zeit, in der antisemitische Parolen wieder lauter werden. In der Jüdinnen und Juden sich in Deutschland wieder fragen, ob sie eine Kippa tragen oder einen Davidstern zeigen können. In der Hass, Verschwörung und Gleichgültigkeit erneut wachsen – mitten unter uns. Das darf uns nicht unberührt lassen.

Denn Erinnerung bedeutet nicht nur, zurückzublicken – sie bedeutet, Haltung zu zeigen.
Sie bedeutet, die Stimme zu erheben, und sie bedeutet, das zu schützen, was unser Zusammenleben trägt: Menschlichkeit und gegenseitiger Respekt.

Der 1933 nach England emigrierte Soziologe Norbert Elias schrieb 1939: „Die Zivilisation ist niemals vollendet und immer gefährdet.“ Zivilisation und Demokratie sind zerbrechliche Errungenschaften, die ständige Anstrengung und Aufmerksamkeit erfordert. Gesellschaftliche Zustände sind nicht statisch, sondern verändern sich in einem fortwährenden Prozess.

Wir alle sind gefordert, aufmerksam zu sein und uns einzumischen, wo andere unserer Solidarität bedürfen.