„Das wichtigste Anliegen muss der Friedenskampf sein“

1. Dezember 2025

An dieser Stelle dokumentieren wir ein Interview, das unsere Kameradinnen Alice Czyborra und Silvia Gingold anlässlich des Tages der Erinnerung und Mahnung der Tageszeitung „junge Welt“ gegeben haben. Es wurde im Original in der Beilage „Antifaschismus“ (13./14. September 2025) veröffentlicht.

Ihre Eltern, die jüdischen, kommunistischen Widerstandskämpfer Ettie und Peter Gingold, bekämpften den Hitlerfaschismus bis zum Schluss. Sie überlebten die Herrschaft der Nazis. Welchen Einfluss hatten die Erfahrungen des – kommunistischen – Widerstandes auf die Entwicklung in der BRD?

Silvia Gingold: Unsere Eltern wurden immer wieder gefragt, warum sie nach zwölf Jahren der Emigration in Frankreich, wo sie im Widerstand gegen Hitler täglich ihr Leben riskierten, Gefängnis und Folter durchleiden mussten, Angehörige in den Gaskammern in Auschwitz verloren, warum sie in das Land der Täter zurückkehrten. Sie taten dies in der Hoffnung und aus der tiefen Überzeugung, ein neues, ein demokratisches, antifaschistisches Deutschland aufbauen zu helfen. Denn wer, wenn nicht die überlebenden Antifaschisten, konnte dazu beitragen?

In den Worten unseres Vaters: »Wir glaubten, in einer Gesellschaft leben zu können, in der man offen seine Gesinnung, auch die sozialistische und kommunistische, zeigen und auch für diese eintreten kann, ohne diskriminiert, benachteiligt und verfolgt zu werden.« Die Überlebenden des barbarischen ­NS-Regimes schworen: »Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!«. Das war der Grundkonsens nach dem Kriegsende, der auch das Grundgesetz vor 76 Jahren prägte. Niemals mehr sollte von deutschem Boden Krieg ausgehen.

Wir erleben eine mit enormem Tempo forcierte Aufrüstung. Im Regierungslager wird eine Gefahr aus dem Osten heraufbeschworen, gegen die Deutschland und Europa sich verteidigen müssten. Wenn auch die politischen Vorzeichen heute andere sind, denken viele zurück an das letzte Mal, als Deutschland gegen Russland rüstete. Was ist von den Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und aus der faschistischen Diktatur noch geblieben?

Alice Czyborra: Es ist unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit die »Kriegstüchtigkeit« des Boris Pistorius umgesetzt wird. Nur drei Beispiele der letzten Tage für die weitere Militarisierung unseres Landes NRW: die feierliche Einweihung des Rheinmetall-Werkes für Tarnkappenjets in Weeze, das erste öffentliche Gelöbnis vor dem Landtag in Düsseldorf und die Vorbereitung der gigantischen Rüstungsmesse 2026 in den Essener Messehallen. Dies alles, um den Feind Russland »abzuschrecken«. Die Aussage von Außenminister Wadephul »Russland wird immer ein Feind für uns bleiben« kann nicht eindeutiger die Russophobie dokumentieren. Sie überbietet noch Hass- und Hetzkampagnen gegen Russland unter der Adenauer-Regierung der 50er Jahre.

Wie schmerzhaft wäre es für unsere Eltern, dies heute zu erleben. Die Rote Armee hatte mit Stalingrad den Nimbus der Unbesiegbarkeit der deutschen Wehrmacht gebrochen. Sie war der Lichtblick und Hoffnungsträger für den Widerstand, für die vielen Menschen im Untergrund, für die Häftlinge in den Konzentrationslagern und Zuchthäusern. In seinen Erinnerungen hat unser Vater beschrieben, wie unser Großvater in seinem Versteck in einem Vorort von Paris BBC und Radio Moskau hörte und den Vormarsch der Roten Armee mit Stecknadeln auf der Landkarte markierte. Mit welcher Brutalität die deutsche Wehrmacht in der ehemaligen Sowjetunion wütete, verbrannte Erde hinterließ, den Tod von über 27 Millionen Sowjetbürgerinnen und -bürgern zu verantworten hatte, war im offiziellen Gedenken an den 80. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg kein Thema. Der Ausschluss der Vertreterinnen und Vertreter Russlands von den Gedenkfeiern zeugt von einer unglaublich beschämenden Geschichtsvergessenheit. Diejenigen, die an die größte Opferzahl der Roten Armee zur Befreiung von Faschismus und Krieg erinnerten, wurden dagegen diskriminiert und drangsaliert.

Ohne den Angriff Russlands gegen die Ukraine und die ständigen Bombardierungen rechtfertigen zu wollen, sehe ich mit Blick auf die unsägliche deutsche Geschichte die Bundesregierung in der Verantwortung, richtungsweisend für Europa alles zu tun, um den Krieg zu beenden, sämtliche diplomatischen Schritte zu unternehmen. Statt dessen liefert die Bundesregierung immer mehr Waffen in die Ukraine und trägt zur weiteren Eskalation bei. Sie schürt Ängste vor einer angeblichen Bedrohung durch Russland, ähnlich wie im Vorfeld beider Weltkriege des letzten Jahrhunderts. Dem zu widerstehen, brauchen wir eine starke Friedensbewegung, wie sie von den überlebenden Antifaschistinnen und Antifaschisten in der Nachkriegszeit bis in die 80er Jahre geprägt wurde.

Krieg und Imperialismus kehren an die »Heimatfront« zurück und wenden sich gegen die Bevölkerung: In europäischen Staaten werden Oppositionelle wegen des Protests gegen einen von israelischen Soldaten verübten Genozid in Gaza verfolgt. In den USA werden Menschen von staatlichen Agenten aufgegriffen und verschleppt. Sollte der Tag der Erinnerung und Mahnung im 80. Jahr seit 1945 nicht auch diesen Menschen gelten?

Czyborra: Wir Deutsche tragen eine besondere Verantwortung für die Existenz des Staates Israel, haben doch viele Jüdinnen und Juden durch Flucht nach Palästina ihr Leben retten können und im späteren Israel eine neue Heimat gefunden. Auch unsere Großeltern mütterlicherseits und weitere Familienangehörige sind als Überlebende des Holocaust nach Israel ausgewandert.

Die Bundesregierung spricht von »Staatsräson«, wenn Deutschland aufgrund seiner Geschichte, des Mordes an über sechs Millionen jüdischen Menschen, bedingungslos sowie ohne Wenn und Aber fest an der Seite Israels steht. Ist das nicht eine Instrumentalisierung des Holocaust? Verkehren wir nicht die Lehren aus unserer bitteren Geschichte ins Gegenteil, wenn jede Kritik am ungeheuerlichen Vorgehen der israelischen Regierung, des Militärs, wenn Proteste gegen die seit Jahrzehnten andauernde Besatzungspolitik und deren bedingungslose Unterstützung durch die Bundesregierung, wenn dies als »antisemitisch« kriminalisiert und zum Schweigen gebracht wird?

Unser Vater hat dazu geschrieben: »Gegenüber dem Verbrechen der Nazis haben viele geschwiegen. Wer aus Schuldgefühl heraus gegen Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser durch Israel schweigt, hat nichts gelernt. Verbrechen muss nicht erst das Ausmaß eines Völkermordes haben, damit Kritik berechtigt erscheint.« Ich finde es unerträglich, dass der Protest an Universitäten, auf Demonstrationen und Kundgebungen mit dem Etikett »Antisemitismus« behaftet wird. Mitgefühl und Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung und die Forderung, keine Waffen mehr nach Israel zu liefern, haben nichts mit Judenhass zu tun. Wir stehen an der Seite der Bewegungen in Israel, die für sofortigen Waffenstillstand, Beendigung des Krieges und die Rettung der noch lebenden Geiseln eintreten. Wir stehen an der Seite der Friedensbewegung Israels.

Wie verhält es sich mit dem wirklichen Judenhass?

Dem wachsenden Judenhass, dem Antisemitismus in unserem Land zu begegnen, liegt in unserer besonderen Verantwortung. Anschläge auf Synagogen, Schändungen von Gedenkstätten und Stolpersteinen, Verharmlosung des Holocaust oder gar Angriffe auf Jüdinnen und Juden erschüttern uns immer wieder. Es darf nicht zugelassen werden, dass in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden für die verbrecherische Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden. Nicht wenige Menschen mit jüdischen Wurzeln demonstrieren Seite an Seite mit Palästinenserinnen und Palästinensern für Frieden in Gaza, für ein gleichberechtigtes und menschenwürdiges Leben des palästinensischen Volkes.

Die Organisationen, die derzeit zu Aktionen zum 80. Tag der Erinnerung und Mahnung aufrufen, wollen das Gedenken an die Opfer der Nazis mit »wichtigen Debatten der Gegenwart« verbinden. Welche Debatten sollten das aus Ihrer Sicht sein?

Gingold: Das wichtigste Anliegen am Tag der Erinnerung und Mahnung muss der Friedenskampf sein. Unter Mitwirkung von Antifaschisten findet sich im Artikel 69 der Hessischen Verfassung ein klares Friedensgebot: »Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig.«

Die Widerstandskämpfer, die den faschistischen Terror, Konzentrationslager und Zuchthäuser überlebten, leisteten unschätzbar wertvolle Arbeit in ihrem unermüdlichen Ringen gegen das Vergessen. Unseren Eltern, die in unzähligen Schulen, Seminaren, Jugendorganisationen und Gewerkschaften von ihren Erlebnissen und Erfahrungen während des Faschismus berichteten und damit viele junge Menschen bewegten, war es wichtig, dass die nachfolgenden Generationen erkennen, wie unentbehrlich für die eigene Gegenwart und Zukunft die Erfahrungen der Überlebenden des antifaschistischen Widerstandes sind. Sie ermutigten viele junge Menschen, sich einzumischen gegen Naziideologie, Rassismus, Nationalismus und Militarismus.

»Niemand von uns, den Überlebenden«, so meinte unser Vater im Jahr 2005, »konnte sich vorstellen, dass es in diesem Land je wieder Aufrüstung, Militär, Militarismus, geschweige denn wieder deutsche Waffen und Soldaten in aller Welt geben könnte.« Unsere Eltern hätten es sich auch nicht vorstellen können, dass heute fast jeder zweite Euro in Militär und Rüstung fließt und in allen gesellschaftlichen Bereichen die Menschen auf Militarisierung und »Kriegstüchtigkeit« eingestimmt werden. Immer wieder appellierte unser Vater: »Ihr riskiert heute, wenn ihr euch gegen Rassismus und Ungerechtigkeiten wehrt, nicht das, was wir damals riskieren mussten. Aber macht das rechtzeitig, damit ihr nicht morgen das riskieren müsst, was wir damals zu riskieren hatten.«

Auf welche Erfahrungen und Spuren des Widerstandes gegen die Nazis können heutige Antifaschistinnen und Antifaschisten dabei noch Bezug nehmen?

Gingold: Die bitterste Erfahrung der Antifaschisten, die sie teuer bezahlen mussten, war die Uneinigkeit der Kriegs- und Hitlergegner. Erst im illegalen Widerstand, im Zuchthaus und KZ haben sich die Verfolgten verständigt und niemanden mehr gefragt, wer er sei, aus welcher Partei oder Organisation er komme. Aber es war zu spät. Die Folgen waren schrecklich. »Würden die Toten des Zweiten Weltkriegs auch nur einen Augenblick auferstehen können, es wäre ein einziger Aufschrei von Millionen: ›Wiederholt unsere Fehler nicht, macht es besser, steht zusammen. Erhaltet die Gemeinschaft eurer Friedensbewegung, damit ihr nicht wie wir zu einer Gemeinschaft von Toten werdet‹«, mahnte unsere Mutter auf der großen Friedenskundgebung im Bonner Hofgarten im Oktober 1983.

Immer wieder mahnten unsere Eltern, und sie würden es heute eindringlicher denn je tun: »Die Faschisten sind nicht an die Macht gekommen, weil sie stärker waren als ihre Gegner, sondern weil wir uns nicht rechtzeitig zusammengefunden haben. 1933 wäre verhindert worden, wenn alle Hitlergegner die Einheitsfront geschaffen hätten.« Für uns heute muss das bedeuten, Trennendes zu überwinden, um im Kampf um die Verteidigung des Asylrechts, gegen Rassismus und Gewalt, gegen die gigantische Aufrüstung und für soziale Gleichheit in breiten und machtvollen Bewegungen zusammenzufinden.

Am 9. September 1945 zogen Hunderttausende zur Werner-Seelenbinder-Kampfbahn in Berlin-Neukölln, um eine Massengedächtnisfeier für die »toten und lebenden Helden, die Kämpfer gegen den Faschismus« zu ehren, wie es auf einem Plakat von damals heißt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, kurz VVN-BdA, sieht sich in dieser Tradition. Welche Entwicklung hat die Vereinigung aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen?

Gingold: Wichtig für die Entwicklung der VVN war die Öffnung für nachgeborene Generationen, um so die Tradition der antifaschistischen Erinnerung in die heutige Zeit zu überführen. Heute, da die Widerstandskämpfer und Gründer der VVN ihre Erfahrungen nicht mehr direkt weitergeben können, bedarf es großer Anstrengungen, den vielen neuen Mitgliedern, die in den letzten Jahren der VVN-BdA beigetreten sind, ein Verständnis für die historischen Traditionen dieser Organisation zu vermitteln. Dabei müssen wir auch auf ihre Vorstellungen von antifaschistischer Arbeit angemessen reagieren und neue Formen der Erinnerungsarbeit entwickeln, bei der junge Menschen aktiv mitwirken können. Ende März 2025 hatten wir in Kassel eine eindrucksvolle Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Ermordung italienischer Zwangsarbeiter in Kassel, bei der Schülerinnen und Schüler aus Frankfurt mit großer Emotionalität ihre Recherche zu den dort Ermordeten vortrugen. Dieses Beispiel zeigt: Gedenken ist auch für heutige Generationen möglich – genauso wie antifaschistisches Handeln gegen extreme Rechte und die AfD.

Auch wenn es derzeit innerhalb der VVN unterschiedliche Auffassungen über Analysen und Hintergründe der aktuellen Kriege gibt, ist es für mich unerlässlich, Trennendes zu überwinden. Im Sinne ihrer Gründer und des Schwurs von Buchenwald muss die VVN ein wichtiger Teil der Friedensbewegung bleiben.

Gedenken an die Opfer der Pogromnacht am 08. November in Essen-Steele

10. November 2025

Organisiert vom Bündnis „Mut machen – Steele bleibt bunt“, dem „Runden Tisch Steele“ und der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ fand am 08. November eine Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht im Jahr 1938 statt.

Leider ist es heute wichtiger denn je, an die Greueltaten der Faschisten an Juden, Gewerkschaftern, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Sinti und Roma, Homosexuelle und sogenannten Asozialen zu erinnern. Wie jedes Jahr haben wir in Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ihre Stolpersteine geputzt, die zur Erinnerung an Steeler Bürger verlegt worden sind. Im Stadtteil Steele wohnten vor 1933 viele jüdische Menschen, hatten Geschäfte, gehörten Vereinen an, waren geachtete Bürgerinnen und Bürger, waren in die Gesellschaft integriert. Nach 1933 begann die Vernichtung ihrer Existenz, Ausgrenzung, Entwürdigung und Demütigung. Viele der jüdischen Menschen aus Steele, die nicht mehr fliehen konnten, wurden deportiert und ermordet. Heute sind es die Mitbürger, die ursprünglich aus Not zu uns kamen, die nicht mehr gern gesehen sind. Wiederholt sich die Geschichte? Wir alle sind gefordert, dies zu verhindern!

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von VVN/BdA-Kameradin Alice:

„Wir stehen am Isinger Tor, an dem Ort, an dem in der Nacht vom 9. auf den 10. November vor 87 Jahren die Steeler Synagoge und mit ihr die kleine jüdische Volksschule von den Faschisten niedergebrannt wurde. Die Grundrisse der Steeler Synagoge sind mit Pflastersteinen markiert.

Wir sind heute wie in den vielen vergangenen Jahren zusammengekommen, um der deportierten, ermordeten und vertriebenen jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Steele zu gedenken. Dass wir dabei einige Auszüge aus ihrem Schicksal erfahren können, haben wir den umfangreichen Forschungen von Ingrid Niemann und Ludger Hülskemper-Niemann zu verdanken. Leider konnten sie heute nicht dabei sein.

Wir, die wir auf unsere unfassbare deutsche Geschichte zurückblicken, auf das unfassbare Verbrechen der Menschheitsgeschichte durch den deutschen Faschismus, wir müssen ganz besonders alarmiert sein, wenn Antisemitismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit und der Zulauf zur AfD bedrohlich zunehmen. Als ob es diese Geschichte nicht gegeben hätte, werden wir mit unsäglichen Aussagen zur Migration konfrontiert durch einflussreichen Personen des öffentlichen Lebens. Damals waren die Juden schuld an allem Übel, heute die Migranten?

Umso wichtiger ist es heute, an die Pogromnacht 1938 und an das, was vorausgegangen war und dann folgte, zu erinnern.

„Ihr seid nicht schuldig für das, was damals geschehen ist“, sagte die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, „aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts von dieser Geschichte wissen wollt.“  Viele erinnern sich noch an ihr eindrucksvolles Konzert in der Friedenskirche vor fünf Jahren.


Ermutigend sind die jahrelangen unzähligen und vielfältigen Initiativen von „Mut machen – Steele bleibt bunt“, dem „Runden Tisch Steele“, die unterstützt wurden von zahlreichen Bürgerinnen und Bürger aus Steele, die gegen die rechten Aufmärsche in Steele auf die Straße gegangen sind. Wir protestieren gemeinsam mit „Essen stellt sich quer“ und den Bürgerinnen und Bürgern aus Kray ebenso entschieden und unermüdlich gegen die neonazistischen Umtriebe in Kray.“

Zudem dokumentieren wir die Rede von „Mut machen – Steele bleibt bunt“:

Liebe Freundinnen und Freunde,

in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Auch hier in Essen-Steele wurden jüdische Nachbarinnen und Nachbarn gedemütigt, ihre Geschäfte zerstört, ihr Glaube und ihr Leben angegriffen.

Die Pogromnacht war kein Ausbruch von Wut – sie war ein staatlich gelenkter Angriff auf die Menschlichkeit. Und sie war der Beginn des Weges in die Vernichtung. Die Erinnerung daran dient dem Bewusstsein dafür, wohin Ausgrenzung, Rassismus und Machtmissbrauch führen können. Die NS-Vergangenheit erinnert daran, dass Freiheit und Menschenwürde nicht selbstverständlich sind.

Wir leben in einer Zeit, in der antisemitische Parolen wieder lauter werden. In der Jüdinnen und Juden sich in Deutschland wieder fragen, ob sie eine Kippa tragen oder einen Davidstern zeigen können. In der Hass, Verschwörung und Gleichgültigkeit erneut wachsen – mitten unter uns. Das darf uns nicht unberührt lassen.

Denn Erinnerung bedeutet nicht nur, zurückzublicken – sie bedeutet, Haltung zu zeigen.
Sie bedeutet, die Stimme zu erheben, und sie bedeutet, das zu schützen, was unser Zusammenleben trägt: Menschlichkeit und gegenseitiger Respekt.

Der 1933 nach England emigrierte Soziologe Norbert Elias schrieb 1939: „Die Zivilisation ist niemals vollendet und immer gefährdet.“ Zivilisation und Demokratie sind zerbrechliche Errungenschaften, die ständige Anstrengung und Aufmerksamkeit erfordert. Gesellschaftliche Zustände sind nicht statisch, sondern verändern sich in einem fortwährenden Prozess.

Wir alle sind gefordert, aufmerksam zu sein und uns einzumischen, wo andere unserer Solidarität bedürfen.

Am 08. November in Steele: Putzen der Stolpersteine in Erinnerung an die von Nazis Deportierten und Ermordeten

29. Oktober 2025

Zur Rundfahrt „Die wandelbare Gedenkkultur zur faschistischen Zeit erfahren“

29. Oktober 2025

ein Bericht von Margret (VVN/BdA-Essen) mit Fotos von Britta (VVN/BdA-Essen)

Am 18. Oktober 2024 lud die VVN/BdA NRW interessierte Mitglieder zu einer Rundfahrt ein unter dem Motto „Die wandelbare Gedenkkultur zur faschistischen Zeit erfahren“

Die Fahrt begann vor der Gedenkstätte „Steinwache“ in Dortmund, die vor 33 Jahren als Mahn- und Gedenkstätte eröffnet wurde. Ulrich Sander erzählte von diesem alten Polizeigefängnis, in dem zur Nazizeit mehr als 66.000 Menschen festgehalten und vielfach durch die Gestapo misshandelt wurden. Bis Mitte diesen Jahres befand sich eine Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 33-45“, die ursprünglich von ehemaligen Widerstandskämpfern und Opfern des Faschismus geschaffen wurde. Jetzt soll diese Ausstellung in den nächsten drei Jahren umgestaltet werden. Leider ist dann zu befürchten, dass dann viele Zeitzeugenberichte nicht mehr ausgestellt werden und vor allen Dingen die Rolle der Industrie im Ruhrgebiet während der Nazizeit nicht mehr thematisiert wird. Es liegt an uns, dies zu verhindern.

Der zweite Stopp war vor dem ehemaligen Bochumer Verein. Dort erwartete uns Günter Gleising, der uns von der Geschichte der Häftlinge der vielen KZ-Außenlagern berichte, die hier schuften mussten. Eine Entschädigung dafür hat der Bochumer Verein zur Zeit seines Bestehens nie geleistet. Auch der Künstler Marcus Kiel war anwesend, um uns eine von ihm geschaffene Installation vorzustellen. Es war ein großes Rohr, symbolhaft für die Häftlinge, die bei Bombenangriffen keine Schutzräume aufsuchen durften und hier versuchten etwas Schutz zu finden. In einiger Entfernung liegt auch noch eine Stolperschwelle, die an die Qualen der Menschen erinnert.

Dann fuhren wir nach Neuss und nach einer Mittagspause erläuterte uns eine Mitarbeiterin des Neusser Stadtarchivs sehr detailreich die Geschichte des Neusser Widerstandes und der Umgang der Bevölkerung und der Politik mit dem Gedenken. Immer wieder wurden Gründe gefunden, Straßen oder Plätze nicht nach Widerstandskämpfern zu benennen. Als Kompromiss wurde erst vor einigen Jahren eine Gedenktafel mit Namen der Ermordeten am Rathaus angebracht.

Dann gingen wir zu einer Stele zur Zwangsarbeit in Neuss, die sich am Hafenbecken befindet. In Neuss befanden sich mehrere große Firmen, die alle von der Zwangsarbeit profitierten. Alle, bis auf eine, sahen keinen Grund dafür, Entschädigungen zu zahlen. Ebenfalls in Neuss befand sich die Firma Bauer & Schauerte, die Teile für Kriegsgeräte herstellte und dafür drei Zwangsarbeiterlager unterhielt. Unser Mitglied Georg Sitterz berichtete von den Bemühungen der VVN/BdA Neuss auf dem ehemaligen Gelände eine Gedenkinstallation zu errichten, da auf dem Gebiet der Firma ein neues Wohnviertel errichtet werden soll. Mahnend haben wir an einer alten Fabrikmauer provisorisch ein Schild angebracht, auf dem die Geschichte der Firma und der Umgang mit ihren Zwangsarbeitern geschildert wurde.

Der letzte Halt befand sich an einer Landstraße in einem Waldstück in Kalkum. Dort befand sich ein Bombenräumkommando, dass unter Aufsicht von Wehrmachtssoldaten, nicht explodierte Bomben entschärfen mussten. Da die Häftlinge keine Fachleute waren, sind bei diesen Arbeiten auch Menschen ums Leben gekommen. Und wie auch in vielen anderen Städten erzählte uns Georg Sitterz von Kriegsendverbrechen in dieser Gegend, beim Vorrücken der Alliierten.

Es war ein langer, sehr interessanter und informativer Tag, den wir mit der VVN/BdA NRW erlebt haben.

Rede zum Antikriegstag am 01.09.2025

9. Oktober 2025

Am 01.09.2025 hielt unsere Kameradin Margret Rest im Rahmen einer Veranstaltung des DGB in Essen anlässlich des Antikriegstages eine Rede, die wir an dieser Stelle dokumentieren:

„Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(…)


Am 1. September 1939 wurde mein Vater, Willi Rattai, direkt morgens an
seinem Arbeitsplatz verhaftet. Man brachte ihn in das Gestapogefängnis in der
Kortumstraße. Dort traf er viele weitere Essener Widerstandskämpfer, so auch
Karl Käseberg und Ludger Zollikofer, die beide dann später im KZ
Sachsenhausen ermordet wurden. Sie alle warnten bereits seit langem vor
dem an diesem Tag begonnenen und lange vorbereiteten Krieg. Viele der
erneut Verhafteten hatten bereits einige Jahre Konzentrationslager hinter sich.
Sie hatten schon vor 1933 gemahnt: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer
Hitler wählt, wählt den Krieg.


Auch hier in Essen konnte man diese Entwicklung bemerken, denn wir
befanden uns hier in der „Waffenschmiede des Reiches“, wie man stolz
vermerkte. Bereits vor der Machtübertragung an die Nazis wurde entgegen des
Versailler Vertrages die Rüstungsproduktion in den Krupp-Werken
vorangetrieben. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach bestätigte 1944 die
heimliche „Wehrhaftmachung“ unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Was aus dieser „Wehrhaftmachung“ geworden ist, wissen wir alle, Deutschland hat
in ganz Europa verbrannte Erde und mehr als 55 Millionen Tote hinterlassen. Die politischen, gewerkschaftlichen oder christlichen Widerstandskämpfer haben
dies früh erkannt und haben versucht, diese unheilvolle Entwicklung zu
verhindern. Die Bevölkerung hat leider nicht auf sie gehört. Viele der
Widerständler haben ihre illegale Arbeit mit dem Leben bezahlen müssen. Die
Überlebenden der Konzentrationslager, die aus dem Exil und dem
Strafbataillon 999 zurückgekehrten, die Gründer der VVN, sie haben sich dann
leidenschaftlich für ein demokratisches, ein antifaschistisches, ein
antimilitaristisches und friedliches Deutschland eingesetzt: „Nie wieder
Faschismus, nie wieder Krieg“.


Heute müssen ihre Kinder und Enkelkinder voller Entsetzten eine
Geschichtsvergessenheit erleben. Sie hatten erwartet, das es einen Aufschrei
geben würde, als Boris Pistorius forderte, Deutschland müsse
„kriegstüchtig“ werden. In geschichtlicher Verantwortungslosigkeit haben
unsere gewählten Vertreter eine unvorstellbare Summe für die Hochrüstung
freigegeben. In einer Kriegsrhetorik, in einer Kriegsbesoffenheit, die wir, die
Nachkriegsgeneration, noch nie in diesem Maße erlebt haben, überbieten sich
fast alle Medien, die umfassende Militarisierung unseres Landes schönzureden
und voranzutreiben. Es ist eindeutig: Wir werden auf einen Krieg eingestimmt.
In allen gesellschaftlichen Bereichen werden zivil militärische Maßnahmen
geplant. Laut NRZ vom 18. Juli diesen Jahres will das Land z.B. eine
Vereinbarung mit der Bundeswehr abschließen. Damit soll sichergestellt
werden, dass Militärkonvois im Kriegsfall hindernisarm durch NRW fahren
können. Die junge Generation soll wieder wehrpflichtig werden, also wehrhaft.
Hatten wir dies nicht schon einmal? Auf deutschem Boden soll die nächste
Generation von US-Mittelstreckenraketen aufgestellt werden. Und in der
Messe Essen findet die Vorbereitung mit hochrangigen Militärs und der
Rüstungsindustrie statt.
Wenn davon gesprochen wird, dass Deutschland in der Welt mehr
Verantwortung übernehmen soll, heißt es für mich mit Blick auf unsere
unsägliche Geschichte, sämtliche diplomatische Wege zu nutzen, um das Töten
und Sterben zu beenden.


Man kann die vielen Kriegsschauplätze gar nicht mehr zählen. Überall sterben
unschuldige Männer, Frauen und Kinder. „Deutschland soll mehr Verantwortung
übernehmen“, heißt für mich auch: Sofort die Waffenlieferungen und
Rüstungsgüter in die Ukraine zu stoppen und auch jeglichen Waffenexport
nach Israel einzustellen – und nicht nur Waffen, die im Gaza-Krieg verwendet
werden könnten. Außerdem müssen wir endlich aufhören, weiterhin Waffen
in die ganze Welt zu exportieren. Sie tragen nur zur Eskalation der Kriege bei
und sind mitverantwortlich für die Flucht von Millionen Menschen. Und statt
Fluchtursachen zu bekämpfen, wird das Asylgesetz bis zur Unkenntlichkeit
ausgehebelt.

Was sich aus der sogenannten Zeitenwende und eines kriegstüchtigen Deutschlands ergibt, erklärte uns dieser Tage Friedrich Merz: „Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ Und Marc Rutte, NATO-Generalsekretär, forderte die EU-Staaten auf, „weniger in soziale Systeme, aber mehr für die Verteidigung zu
investieren. Alle EU-Bürger müssen Opfer bringen.“
Ja es stimmt, wir brauchen ein Sondervermögen. Und zwar für Kitas, Schulen,
Krankenhäuser, Busse und Bahnen und vieles mehr.
Dafür müssen wir uns mit allen Kräften einsetzen, dem gigantischen
Aufrüstungsprogramm energisch den Kampf ansagen. Verhindern wir die
Vorbereitung eines neuen Krieges, denn diesen wird dann keiner überleben.“

Solidaritätsbekundung – Angriff auf Mitglieder:innen der Linken Essen

10. August 2025

Wir haben bestürzt erfahren, dass im Nachgang der Demonstration am 8.8.25 einige der Parteimitglieder:innen der Linken Opfer eines Angriffs, bzw. Anschlags durch Nazis wurden.

Der Tathergang wurde oft genug geschildert, deshalb möchten wir diesen hier nicht wiederholen.

Wir sind über den Angriff zutiefst betroffen und sprechen den Opfern unsere vollste Solidarität aus.
Wir wünschen Ihnen schnellste Genesung und nur das Beste.

Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich gegen menschenverachtende Ideologien stellen, durch eben jene Akteure verletzt werden können.

Wir stehen zusammen und für dasselbe Ziel: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

Vollste Solidarität
VVN BdA Essen

Gedenkkundgebung 9. November 2024

26. Oktober 2024

Spur der Stolpersteine im Gedenken an die Pogrom-Nächte 1938

Im Gedenken an die Pogromnächte 1938 laden wir dieses Jahr zum gemeinsamen Putzen der Stolpersteine in Essen Steele ein. Dies wird im Rahmen einer Gedenkkundgebung zusammen mit vielen anderen Organisation am 9.November 2024 stattfinden.

Der ausführliche Flyer ist hier zu finden.

Außerdem hat die IGBau-MEO auf einer Webseite die Einzelschicksale hinter den Stolpersteinen in Essen Steele zusammengeführt. Diese Webseite ist unter diesem Link zu finden.

Unsere Solidarität mit der DIDF Essen

12. Juni 2024

Liebe Freund*innen von der DIDF Essen,

Aufgrund der hinterhältigen Drohungen in Form von rechtsextremen Schmierereien der vergangenen Wochen im Hinterhof des internationalen Kulturzentrums Essen in der Heilermannstraße bekräftigen wir unsere Solidarität und Zusammenarbeit mit unseren Freund*innen und Mitstreiter*innen von der DIDF-Essen und allen anderen betroffenen Organisationen.

Wir sind entsetzt über und betroffen durch diesen rassistischen und rechtsextremen Angriff, auch wenn er uns nicht überrascht. Das gesellschaftliche Klima gegenüber migrantisierten Menschen wird zunehmend besorgniserregend feindlich. Dieses Klima wird nicht nur getrieben durch die extreme Rechte, die mit der AfD mittlerweile einen parlamentarischen Flügel hat. Die Schmierereien verdeutlicht diese Beziehung durch die Verknüpfung von NS-Verweisen und AfD-Bekundungen eindrücklich. Gleichzeitig wird das Klima durch eine Abschottungs- und Abschiebepolitik sämtlicher Regierungsparteien geschürt, die versucht Migration (und damit alle als migrantisiert gelesenen Personen) als Problem zu darzustellen.

Dieser Entwicklung müssen wir uns gemeinsam und solidarisch entgegenstellen.

Deshalb sind wir froh und dankbar, dass es das internationale Kulturzentrum Essen gibt und um deren konsequente antifaschistische Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und soziale Gerechtigkeit.

Und wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.

Solidarische Grüße VVN BdA Essen       

Widersetzen gegen den AfD Bundesparteitag in Essen

8. Juni 2024

Die rechtsextreme Partei AfD versucht vom 28. bis zum 30. Juni ihren Bundesparteitag in der Grugahalle in Essen durchzuführen, dem werden wir uns widersetzen!!!

Es wird an diesem Wochenende viele Aktionen und Demonstrationen geben, um unserem Unmut gegen diese rechtsextreme Partei Sichtbarkeit zu verschaffen.

Alle Infos findet ihr auf der Webseite von Widersetzen hier.

Kommt zum Tag der offenen Gesellschaft in Steele am Samstag den 15.06.24

8. Juni 2024

Die VVN BdA Essen wird mit einem Infostand vertreten sein und wir freuen uns über zahlreichen Besuch und gute Gespräche.

Alle Informationen findet ihr auf der Seite von Steele bleibt Bunt hier.

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