Rede in Gedenken an Theo Gaudig bei der Gedenkstättenfahrt nach Buchenwald im April 2019

29. April 2019

Wir stehen hier am Gedenkbaum für Theo Gaudig.

Theo Gaudig wurde 1904 in Essen-Rüttenscheid als Sohn eines
Krupp-Arbeiters geboren. Theo wuchs in einem politisch aktiven
Elternhaus auf und somit befasste auch er sich mit den aktuellen
politischen Ereignissen der damaligen Zeit. Nach der Schulzeit
fand er nach langem suchen eine Firma, die ihn zum Dreher
ausbildete. Bald nach der Lehre wurde er jedoch arbeitslos.
Daraufhin ging er auf „Walz“, d.h. er wanderte durch Deutschland und blieb überall dort eine Weile, wo er etwas arbeiten konnte.

Nachdem er wieder bei den Eltern zurück war, kämpfte er gegen
die Franzosen, die damals das Ruhrgebiet besetzt hielten und musste
für einen Monat ins Gefängnis.
Viele Monate war er arbeitslos, fand hier und da eine Aushilfsstelle,
bis er bei Krupp in seinem Lehrberuf als Dreher eingestellt wurde.
Von dem Geld, das er hier verdiente, konnte er sich einen Fotoapparat
leisten. Er bildete sich selber im fotografieren aus, so dass er bald auch einige Auftragsarbeiten erhielt. Da er bei Krupp wieder arbeitslos wurde, schickten ihn seine Genossen nach Rumänien, um dort die illegale Arbeit der rumänischen Genossen zu unterstützen. Arbeit fand er in einem
Fotogeschäft. Er wurde jedoch sehr schnell verhaftet, da in Rumänien bereits eine faschistische Regierung an der Macht war. Theo wurde zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. In der Haft brachte er sich selber die französische Sprache bei. Im rumänischen Zuchthaus überlebte er im November 1940 ein fürchterliches Erdbeben, bei dem sehr viele Menschen ums Leben kamen.

Im Januar 1943 überstellten die rumänischen Behörden Theo an die Nazis.
Sie brachten ihn hier in das KZ Buchenwald. Kurze Zeit arbeitete er als
Dreher für die Nazis, seine Kameraden konnten ihn dann aber in der
Lagerapotheke unterbringen. In dieser Funktion konnte er vielen kranken Häftlingen helfen. Bis zur Selbstbefreiung des Lagers war er hier in Buchenwald eingesperrt. Das heißt, er hatte insgesamt 15 Jahre in der faschistischen Hölle verbracht.

Nach der Rückkehr nach Essen erfuhr er, dass sein Vater Otto, der in Mülheim Stadtverordneter gewesen war, von den Nazis in das
KZ Börgermoor verschleppt worden war und noch am 13. April 1945 in der Wenzelnbergschlucht bei Solingen ermordet wurde.

In Essen erwartete ihn seine Braut Maria, die 17 Jahre auf ihn gewartet hatte. Endlich konnten sie heiraten.
Theo wurde Mitglied der VVN/BdA und bei Besuchen französischer Widerstandskämpfern in Essen konnte Theo dolmetschen.
Als in der alten Synagoge in Essen die Ausstellung „Widerstand und Verfolgung“ eröffnet wurde, beteiligte sich Theo aktiv an deren Gestaltung.
Jetzt sprach er auch oft vor Jugendlichen in der Synagoge oder in Schulen.
Viele Essener haben Theo als unermüdlichen Zeitzeugen und lebensfrohen
Menschen erlebt. Dafür erhielt er 2002 den Ehrenring der Stadt Essen verliehen.
Im Jahr 2003 starb Theo hochbetagt mit 98 Jahren.
Er hat zum Glück nicht mehr miterlebt, dass die Ausstellung, die er mit organisiert hat, nicht mehr in der Synagoge zu finden ist. Nachdem die Synagoge zum „Haus der jüdischen Geschichte“ umgewandelt wurde, kam die Ausstellung in das „Haus der Geschichte“ und ist – so viel ich weiß – nicht mehr auffindbar.
2016 wurde dieser Baum zum Gedenken an Theo Gaudig hier gepflanzt.
Auf Veranlassung der VVN/BdA Essen erklärte sich die Stadt Essen bereit,
die Patenschaft zu übernehmen. Der Oberbürgermeister Thomas Kufen schrieb ein Grußwort.
Bei der Pflanzung 2016 sagte Jan Mrosek, damals Jugendbildungssekretär
des DGB Essen „Wir müssen jungen Menschen immer wieder aufzeigen, dass es nie wieder Faschismus geben darf und dass es wichtig ist, sich immer wieder für Frieden, Freiheit und Demokratie einzusetzen.